Neutralisierung von Beta-Amyloid-Monomeren durch ein Anticalin-Protein verhindert neuronale Überaktivität in Mausmodellen der Alzheimer-Krankheit
- Redaktion

- 8. Nov. 2024
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Eine aktuelle Studie der Technischen Universität München (TUM) stellt einen bedeutenden Fortschritt im Kampf gegen die Alzheimer-Krankheit dar. Alzheimer, die häufigste Form der Demenz, betrifft allein in Deutschland etwa 1,8 Millionen Menschen, wobei die Zahlen aufgrund der alternden Bevölkerung kontinuierlich steigen. Die Krankheit ist durch die Ablagerung von sogenannten Beta-Amyloid-Plaques und Tau-Fibrillen im Gehirn gekennzeichnet, die schrittweise zur Zerstörung von Nervenzellen führen. Bisherige Therapieansätze konnten lediglich Symptome lindern, ohne die Ursache der Erkrankung gezielt zu bekämpfen.

Im Zentrum der neuen Forschungsarbeit der TUM steht der innovative Wirkstoff Anticalin H1GA. Anticaline sind künstliche Proteine, die aufgrund ihrer Struktur in der Lage sind, gezielt an bestimmte Moleküle zu binden. In diesem Fall richtet sich H1GA gegen die Amyloid-Ablagerungen, die eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung und dem Fortschreiten der Alzheimer-Krankheit spielen. Die Forscher konnten in präklinischen Versuchen an Tiermodellen nachweisen, dass der Wirkstoff nicht nur die Bildung weiterer Plaques verhindert, sondern auch bereits bestehende Ablagerungen reduziert. Dies führte zu einer spürbaren Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten der Versuchstiere.
In den Laborversuchen wurde H1GA direkt in den Hippocampus der Mäuse injiziert. Der Hippocampus, ein Bereich des Gehirns, der maßgeblich für Gedächtnisbildung und Lernen verantwortlich ist, wird bei Alzheimer-Patienten frühzeitig und besonders stark geschädigt. Die behandelten Mäuse zeigten im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikante Verbesserungen in Gedächtnistests. So konnten sie beispielsweise schneller aus Labyrinthen finden und erinnerten sich besser an zuvor gelernte Aufgaben. Parallel dazu wurde mithilfe bildgebender Verfahren nachgewiesen, dass die Anzahl der Amyloid-Plaques im Gehirn der Tiere um bis zu 40 Prozent reduziert werden konnte.
Der Wirkmechanismus von H1GA beruht darauf, dass der Wirkstoff spezifisch an toxische Amyloid-Oligomere bindet, bevor sie sich zu größeren Plaques zusammenschließen. Diese Oligomere gelten als besonders schädlich, da sie die Kommunikation zwischen den Nervenzellen stören und letztlich zum Absterben der Zellen führen. Indem H1GA die Oligomere neutralisiert, verhindert der Wirkstoff nicht nur die weitere Plaquebildung, sondern schützt gleichzeitig bestehende Nervenzellen vor weiterem Schaden.
Die Ergebnisse dieser Studie sind vielversprechend, doch die Forscher betonen, dass bis zur Anwendung beim Menschen noch zahlreiche Hürden zu überwinden sind. Präklinische Studien an Mäusen sind ein wichtiger Schritt, jedoch sind klinische Studien am Menschen notwendig, um die Sicherheit und Wirksamkeit des Wirkstoffs zu bestätigen. Besonders die Verabreichungsform stellt eine Herausforderung dar: Während die direkte Injektion in den Hippocampus bei Mäusen praktikabel ist, erfordert eine zukünftige Therapie für Patienten eine weniger invasive Methode, wie etwa die Verabreichung des Wirkstoffs durch die Blutbahn.
Nichtsdestotrotz eröffnet die Entwicklung von Anticalin H1GA neue Perspektiven in der Alzheimer-Therapie. Experten sehen in dieser Arbeit einen wichtigen Fortschritt, da sie gezielt an einem der zentralen Krankheitsmechanismen ansetzt. In Kombination mit anderen Therapieansätzen, wie der Reduktion von Tau-Proteinen oder der Förderung der neuronalen Regeneration, könnte H1GA langfristig Teil einer multifaktoriellen Behandlung werden, die das Fortschreiten der Krankheit verlangsamt oder sogar stoppt.
Die Alzheimer-Krankheit stellt sowohl für Betroffene als auch für die Gesundheitssysteme eine immense Belastung dar. Allein in Deutschland belaufen sich die jährlichen Kosten für die Versorgung von Alzheimer-Patienten auf mehr als 15 Milliarden Euro. Die Ergebnisse der TUM-Studie wecken daher große Hoffnungen, dass durch gezielte Forschung bald wirksamere Therapieoptionen verfügbar sein werden. Der nächste Schritt der Forscher besteht nun darin, den Wirkstoff weiter zu optimieren und in klinische Studien zu überführen, um die Entwicklung einer sicheren und effektiven Therapie für Menschen voranzutreiben.


