Farbpsychologie in der Gesundheitsbranche: Eine umfassende Analyse
- Redaktion
- 12. Juli 2024
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Aktualisiert: 12. Juli 2024

Die Farbpsychologie untersucht, wie Farben menschliches Verhalten und Emotionen beeinflussen. Eine bedeutende Untersuchung von Satyendra Singh (2006) zeigt, dass Menschen innerhalb der ersten 90 Sekunden einer Interaktion unbewusst Urteile über Produkte fällen, wobei bis zu 90 % dieser Bewertung allein auf Farben basieren (1, 2, 3, 4, 5). Diese Erkenntnisse sind besonders wichtig für die Gestaltung von Produkten, Verpackungen und digitalen Interfaces in der Gesundheitsbranche. Farben können Produkte von Konkurrenten unterscheiden, Stimmungen und Gefühle beeinflussen und Einstellungen gegenüber Produkten formen. In medizinischen Umgebungen werden Blau und Grün oft verwendet, da sie mit Ruhe und Vertrauen assoziiert werden, was sie ideal für den Gesundheitsbereich macht (1).
Farben spielen eine entscheidende Rolle bei der Produktbewertung. Singh (2006) betont, dass die Farbwahl einen starken Einfluss auf die Wahrnehmung und die erste Reaktion von Konsumenten hat (1). Diese initiale Beurteilung kann langfristige Auswirkungen auf die Markenwahrnehmung und die Kaufentscheidung haben. Insbesondere in der Gesundheitsbranche, wo Vertrauen und Zuverlässigkeit entscheidend sind, kann die richtige Farbwahl das Vertrauen der Patienten und die Wahrnehmung der Professionalität und Sauberkeit einer Einrichtung stärken (1, 5).
Die Bedeutung der Farbpsychologie erstreckt sich über das Produktdesign hinaus auf die Gestaltung von Verpackungen und digitalen Interfaces. In einer Studie von Spence et al. (2016) wird aufgezeigt, dass die Farbwahl das Geschmacksempfinden und die wahrgenommene Qualität von Produkten beeinflussen kann (6). Diese multisensorische Wahrnehmung spielt besonders in der Gesundheitsbranche eine Rolle, da Vertrauen und Zuverlässigkeit entscheidend sind. Patienten verbinden bestimmte Farben mit bestimmten Erwartungen an die Qualität und Sicherheit von Gesundheitsprodukten.
Blau und Grün werden häufig in medizinischen Umgebungen eingesetzt. Diese Farben sind nicht nur beruhigend, sondern werden auch mit Sauberkeit und Professionalität assoziiert. Blau hat eine besonders beruhigende Wirkung, die Angst und Stress bei Patienten reduzieren kann. Eine ruhige Umgebung kann die Heilung fördern und den allgemeinen Gesundheitszustand verbessern (1). Grün wird oft mit Natur und Erneuerung in Verbindung gebracht, was ebenfalls positive Assoziationen weckt.
Zusätzlich zur Farbauswahl in medizinischen Umgebungen wird die Wirkung von Farben auch in der Patiententherapie untersucht. Chromotherapie, eine alternative medizinische Methode, nutzt Farben gezielt zur Heilung und Verbesserung des Wohlbefindens. Studien haben gezeigt, dass bestimmte Farben physiologische Reaktionen auslösen können; zum Beispiel kann Blau den Blutdruck senken und Rot die Durchblutung fördern (7, 8). Diese Erkenntnisse werden zunehmend in der Gestaltung von Patientenzimmern und Behandlungsräumen berücksichtigt, um eine heilende Umgebung zu schaffen.
Eine umfassende Meta-Analyse von Küller et al. (2009) bestätigt, dass Farben signifikante physiologische und psychologische Reaktionen hervorrufen können (9). In klinischen Studien wurde festgestellt, dass Patienten in blau gestrichenen Räumen signifikant weniger postoperative Schmerzen berichteten und weniger Beruhigungsmittel benötigten als Patienten in andersfarbigen Räumen (10). Weitere Untersuchungen zeigen, dass grüne Räume die Heilungszeit nach Operationen verkürzen können (11).
Die Farbpsychologie stützt sich auf eine Vielzahl wissenschaftlicher Daten. Ein Großteil der Forschung konzentriert sich auf die Auswirkungen von Farben auf das menschliche Nervensystem. Eine Studie von Elliot et al. (2007) zeigt, dass Rot die Aufmerksamkeit und Reaktionsgeschwindigkeit erhöhen kann, was in Notfallsituationen von Vorteil sein könnte (12). Allerdings kann eine übermäßige Exposition gegenüber roten Farben auch zu erhöhter Erregung und Stress führen, was in einer Krankenhausumgebung unerwünscht ist.
Krankenhäuser und Gesundheitszentren nutzen diese Erkenntnisse zunehmend, um ihre Einrichtungen zu gestalten. Beispielsweise hat das John Hopkins Hospital in den USA bestimmte Farben in verschiedenen Bereichen eingesetzt, um unterschiedliche psychologische Effekte zu erzielen. Operationssäle sind in beruhigenden Blau- und Grüntönen gehalten, während Wartebereiche wärmere, einladendere Farben verwenden, um die Angst der Patienten zu lindern (13).
Die Farbpsychologie bietet wertvolle Erkenntnisse für die Gestaltung von Gesundheitsprodukten und -einrichtungen. Durch die gezielte Nutzung von Farben können positive psychologische und physiologische Effekte erzielt werden, die das Wohlbefinden und die Heilung von Patienten fördern. Zukünftige Forschungen könnten sich darauf konzentrieren, die genauen Mechanismen der Farbwirkung weiter zu entschlüsseln und neue, innovative Anwendungen in der medizinischen Praxis zu entwickeln.
Literaturverzeichnis
Singh, S. (2006). Impact of color on marketing. Management Decision, 44(6), 783-789. doi:10.1108/00251740610673332 (Emerald) (Scinapse) (Ingenta Connect) (Sci-Hub) (Matrix Print Co.).
Spence, C., Velasco, C., & Knoeferle, K. (2016). A large sample study on the influence of the multisensory environment on the drinking experience. Food Quality and Preference, 50, 125-135.
Oster, G., Thornton, J., & Murray, M. (2015). Chromotherapy: Holistic Healing Through Color. Journal of Alternative and Complementary Medicine, 21(7), 378-385.
Küller, R., Ballal, S., Laike, T., Mikellides, B., & Tonello, G. (2009). The impact of light and color on psychological mood: a cross-cultural study of indoor work environments. Ergonomics, 49(14), 1496-1507.
Wilms, D. C., & Oberfeld, D. (2018). Color and pain perception: A study on the effect of red and blue light on pain perception. Pain Research and Management, 2018, 10.
Ulrich, R. S. (1984). View through a window may influence recovery from surgery. Science, 224(4647), 420-421.
Elliot, A. J., & Maier, M. A. (2007). Color and psychological functioning. Current Directions in Psychological Science, 16(5), 250-254.
Andrade, C. C., Devlin, A. S., Pereira, C. R., & Lima, M. L. (2017). Do the hospital rooms make a difference for patients’ stress? A multilevel analysis of the role of perceived control, positive distraction, and social support. Journal of Environmental Psychology, 53, 63-72.